Vor einem Monat hatte Ich fuer Siemeon und mich zwei Fahrraeder in Mitchells Plain gekauft – bei Ismael, der direkt bei der Arbeit um die Ecke ein Fahrradhandel betreibt. Er macht Fahrraeder aus Uebersee wieder fahrbar. Für einen guten Preis hatten wir dann also zwei solide recycelte Secondhand-Farraeder. Sie machen uns sehr viel mobiler und unabhaengiger von den nicht immer guten, oeffentlichen Verkehrsmitteln.
Am 10. December begannen hier die großen Sommer/Winterferien, was mit großen Discopartys an den Schulen gefeiert wurde. Die kleinen Grundschulkinder waren aufgestylt und in Feierlaune wie die Großen. Die Lehrer waren nur DJs,Tuersteher oder Pommesverteiler. Es war witzig anzusehen und schwer vorstellbar, dass so was in deutschen Grundschulen möglich wäre.
Waehrend den Ferien hatte unser Buero fuer 3 Wochen geschlossen. Obwohl wir es zwar die ganze Zeit wussten, waren Simeon und ich mit unserer Urlaubsplanung viel zu spaet. Alle anderen Freiwilligen waren schon irgendwo eingeplant und hatten ihre zum Teil riesigen Reisen gebucht. So waren Simeon und ich auf uns alleine gestellt. Unser Plan, ein Auto zu mieten, mussten wir auch aufgeben, denn um diese Zeit sind die bezahlbaren Mietautos einfach sofort ausgebucht.
Wir hatten einmal mehr als Witz erwaehnt, dass wir auch mit dem Fahrrad fahren koennten. Denn in unserer Wohnung liegt ein Buch von einem Mann, der einmal mit dem Fahrrad durch Afrika gefahren ist. Mit wachsender Verzweifelung wurde aus Spaß ernst. Ehrlich gesagt konnte ich es erst glauben, als wir die Fahrraeder in Fredericks Auto luden und wir uns nach Paternoster aufmachten.
Fuer die Fahrradtour waren wir aber diesmal vorbereitet. Wir hatten ein Zelt, Fahrradschlaeuche, Krampftabletten, Erste-Hilfe-Set, Werkzeug, Sekundenkleber, Traubenzucker, Energieriegel und Porec (Maisbrei mit Aroma, den man nur mit Wasser anruehrt) besorgt. All diese Dinge kamen auch zu genüge zum Einsatz.
Weiter mit der Reise:
Wir wollten nicht direkt in der Stadt starten. Simeons Freund Frederik hat uns mit seinem Polo erst mal in den kleinen Fischerort Paternoster abgesetzt. Von dort wollten wir dann in die Cederberge fahren – dem Elefantenriever – bis zur Muendung folgen und die Westkueste nach Kapstadt zurueckfahren.
Unsere erste Etappe ging von Paternoster nach Vieldriff.
Ein sehr schoenes und und gut zu fahrendes Stueck. So haette es ruhig die naechsten Tage weitergehen koennen. In Vieldriff realisierte man schon, dass die Orte kleiner sind und weniger los ist als in Kapstadt. Im Vergleich zu den Orten, die noch folgen sollten, waren es aber noch Metropolen. Angekommen hielten wir also bei einem Kirchenfest an, um nach dem Weg zum Strand zu fragen. Nachdem mir ein junger Mann alles erklaehrt hatte und ich auf die Frage, woher wir denn kommen, mit Germany antwortete, passierte etwas Unglaubliches. Er meinte naemlich dann, dass sein Cousin aus Deutschland heute angekommen waere, und dass wir ihn doch unbedingt treffen sollten. Also Fahrraeder auf den Bakkie geladen und den Cousin suchen gefahren. Als wir ihn gefunden hatten, erklaerte er uns dann, dass er mit 6 Jahren nach Deutschland gezogen iwar und zur Zeit bei seiner Tante wohne, bei der wir doch bestimmt auch wohnen koennten. Also wieder auf den Bakkie und zum Haus der Tante. Auf der Fahrt wurden schonmal die ersten Drinks uns in die Hand getrueckt und den gefuehlten 30 anderen Cousin vorgestellt, denen man zufallig begegnet ist. Der Restliche Tag wurde am Strand verbracht. Zwischendurch hat uns die Tate zu einer Erkundungstour mit Besuchen bei der restlichen Verwandtschaft mitgenommen. Die Menschen waren absolut gastfreundlich zu uns. Sie wollten, dass wir fuer nichts aufkommen und wenn man dann erfaehrt, dass manche von ihnen 120 Euro verdienen, ist das schon unglaublich. Weil uns Vieldriff so gefallen hat, haben wir auch gleich eine Nacht dran gehaengt.
Etwas muehsam stiegen wir dann aber doch wieder in den Sattel. Es ging nach Picketburg. Nun konnten wir erstmals spuehren wie schnell sich das Land aufheitzt. Doch noch vor der groSen Hitze kamen wir um 12 in Picketburg an. Kaum angekommen , wurden wir mit einem Mann in´s Gespraech verwickelt. Nach einer Weile zueckte er sein Handy, telophonierte kurz und meinte dann, er habe uns ein Mittagessen arangiert. Er kenne die Managerin von einem Spur-Restaurant. Nach ihr sollten wir nur fragen. Also ging es auf zum Spur, wo ein Burger mit Pommes auf uns wartete. Die enorme Gastfreundlichkeit ueberraschte uns ein zweites mal. Nach dem Essen: Adressenaustausch mit den Angestellten. Nach einem kurzen Mittagsschlaf entschieden wir direkt weiter zu fahren, da der Ort dann doch nicht allzu viel zu bieten hatte.
Also machte wir uns bei abkuehlenden Temperaturen auf nach Citrusdal. Ab da an fuhren wir auf der N7, der Autobahn die direkt nach Kapstadt nach Windtouk(Namibia) fuehrt. Kurz befor wir ankamen, wartete die Strecke mit einem totbringenden Pass auf, der unsere letzten Energieriegel abverlangte. Der Pass war eigentlich nur von Trucks und kleinen Lkws befahren. Sehr merkwuerdige war, dass die meisten als Ladung Menschen transportierten. Es sah schon ein wenig kriminell aus.
Nachdem wir die Passabfahrt mit all den ueberholenden Trucks uberlebt hatten, kamen wir bei Sonnenuntergang in Citrusdal an. Ein unheimlich schoener an einem Fluss geelgener Ort, umgeben von Bergen. Wie der Name schon sagt, ist er bekannt fuer seine Citrusfruechte. Wir lagen richtig, dass die Menschen auf den Trucks wohl Farmarbeiter sind. Sie werden morgens und nachmitags zu den Farmen gefahren. Es sind auch genau die Farmarbeiter, die man seit Wochen in den Nachrichten streiken sieht. Sie verdienen 60 Rand am Tag verdienen.(5,80 €), und das in einem Land, das aehnlich hohe Lebenskosten hat wie Deutschland.
Auf Empehlung der Touristinfo machten wir dann einen Abstecher nach Algeria. Was uns vorher als schoner Radweg angepriesen wurde, entwickelte sich zum Albtraum fuer uns und die Fahrraeder. Es erwartete uns ein gutes Stueck Dirtroad kombiniert mit einem Pass. Das Stueck war eigentlich nur mit einem Bakkie (Pickup) befahrbar. Doch wir quaelten uns den Pass hinauf, angetrieben von dem Gedanken, dass es mit jeder Minute noch heißer werden wird. Das war auch das einzigeste mal, dass unser Wasserspeicher von 8 Litern aufgebraucht wurde. Angekommen mussten wir erstmal hinnehmen, das Algeria eigentlich nur aus einen Campingplatz besteht. Der Ort ist Unesco-Weltkulturerbe, da 40 km weiter tausende Jahre alte Steinmalereien zu sehen sind, die man aber leider nur mit einem Auto besichtigen konnte. Dennoch hat sich Algeria gelohnt, da die Berge und der Bachlauf einfach super schoen sind. Mit einem frischgebackenen Brot und Cooldrink haben wir die wohl beste Mittagspause der Tour verbracht.
Die naechsten Tage fuhren wir auf der N7 und mussten mit den Lkws um den Plaz auf der einspurigen Autobahn kaempfen. Wir folgten dem Olefantriver, der sich durch die Cederberge schlaengelt und campten neben der Straße – an manchmal traumhaft schoenen Plaetzen. Die Orte wurden immer trostloser und kleiner. Sie bestanden meist nur noch aus einem kleinen Supermarkt, 4 Liqourstores, einem Chinaladen und Townships. Selbst der kleinste Ort hatte etwas weiter weg Townships, die um einiges mehr Menschen beherbergen als der Ort an sich. Rassismus ist dort oben immer noch an der Tagesordnung und die Verhaeltnisse haben sich seit der Appartheit wohl kaum geaendert. Es gibt die weißen Grundbesitzer. Coulereds und Schwarze bilden die Farmabeiter. In der Nachmittagssonne sitzen sie im Schatten der Laeden und leider oft auch vor den Liquorstores. Viel mehr kann man bei Temperaturen ueber 40 C auch nicht machen, denn in den Shecks der Townships wird man es noch weniger aushalten. Auch wir haben uns immer mit Cooldrink und Brot an den Fluss gesetzt und gewartet bis es wieder moeglich war weiterzufahren. Man fragt sich schon, was Chinesen hier in dieser Trostlosigkeit machen, aber anscheinend verstehen sie es noch mit dem letzten Geld der Leute Profit zu machen.
In Strandfontain trafen wir dann die ersehnte und vermisste Westkueste. So langsam hatten wir auch genug von den Steigungen der Cederberge. Die Nacht auf den 24. Dezember wurde eine ganz besondere . Wir hatten auf einem Erhoehung unser Zelt aufgeschlagen, um uns herum nur kniehoher Büsche. Mitten in der Nacht zog ein Gewitter auf. Etwas in Panik sammelten wir alle Metallgegenstände zusammen, schnuerten eine Plastiktuete und entfernten sie von unserem Zelt. Dasselbe taten wir mit den Raedern. Etwas spaeter sahen wir dann Blaulicht durch unser Zelt leuchten. Die Polizei hatte die Fahrraeder bemerkt. Verdutzt standen sie davor und suchten den Boden ab. Wir erklaerten ihnen unsere Situation und sie fuhren wieder davon, leider ohne uns mitzunehmen. Doch ohne Zwichenfall zog das Gewitter ueber uns hinweg.
Alles war nass und es war der 24.12., Heilig Abend. Die Dirtroad machte alles noch schlimmer. Wir brauchten das doppelte der normalen Zeit nach Lambertsbay. Dort sah es nicht besser aus. Regen, ein unfreundlicher Pfarrer und ein komplett heruntergekommener Campingplatz. Daher machten wir uns dochnochmal auf nach Elandsbay. Einfach um weiter zu kommen, denn den Gedanken an einen versoehnlichen Heiligen Abend hatten wir schon aufgegeben. Doch Elandsbay ueberraschte uns absolut positiv. Zwar war es immer noch behangen. Doch der Campigplatz und der Strand waren wunderschoen und als die Sonne unterging, bot sich am Horizont ein traumhaft schoenes Farbenspiel. Es war wie ein Geschenk des Himmels.
Als wir am Weihnachtsmorgen dann wieder frueh los wollten, mussten wir festellen, dass Simeons Reifen ein Loch hatte. Selbst der Chinaladen konnte uns jetzt nicht mehr weiterhelfen. So verbrachten wir den Weihnachtsmorgen an der Staße um per Anhalter mitgenommen zu werden. Gegen unsere Befuerchtungen waren selbst an Weihnachten genuegend Bakkies unterwegs und so fanden unsere Fahrraeder schon bald Platz auf der Ladefläche eines Buren aus Johannesburg, der mit seinem Auto durch ganz Suedafrika reiste. Es war ein etwas eigenartiger Typ, aber doch sehr hilfsbereit. Abgesetzt wurden wir dann wieder in Vieldriff und irgendwie schienen uns die Stadt und die Menschen dort zu moegen. Kaum angekommen, fragte uns ein Mann im Vorbeifahren, was denn los sei. Er erklaert uns, dass sein Schwiegervater einen Baumarkt besitze und dass sich da bestimmt etwas finden ließe. Wenig spaeter standen wir im extra fuer uns geoeffneteten Baumarkt und bekamen einen neuen Reifen in die Hand gedrueckt.
So konnte der Rueckweg nach Kapstadt wieder weitergehen. Es gab nur noch eine Station vor Kapstadt: Yzerfontain. Der Weg dorthin war nochmals eine Herausvorderung. Grund war der Wind, durch den wir auch bergab treten mussten. In Yzerfontain haben wir 2 Naechte illegal auf einem Campingplatz unser Zelt aufgeschlagen. Bevor wir dann erschoepft, aber unglaublich stolz in Kapstadt eingerollt sind. Kapstadt empfieng uns mit Regen, wass unsere Freude nicht mindern konnte.
Hitze, Wind, Bergpaesse, Dirtroads, Pannen, Schlangen und Toast mit Chips konnten uns nicht unterkriegen. Es war schon manchmal extrem hart, aber es hat sich mehr als einmal gelohnt. Wir haben unglaubliche Landschaften zu sehen bekommen, unglaubliche Menschen kennengelernt, unglaubliche Situationen miterlebt und am Ende uns selbst bewiesen, dass die Idee nicht zu verrueckt war. Insgesamt haben wir mehr als 600 km zurueckgelegt, 6 Schlaeuche, einige Krampftapletten, Sonnencreme und so einige Weißbrote und Cooldrinks verbraucht. Auch die Tatsache, dass auf meinem Po wohl fuer immer der Abdruck eines Sattels zu erkennen sein wird, laesst mich nicht entmuntern. Dass die Reise fuer jeden nur 120 Euro gekostet hat, macht uns Sparfuechse natuerlich auch etwas Stolz. Damit schlagen wir wohl alle anderen Freiwilligen, die auf der Gardenrout, Wildcoast oder Mosambique unterwegs waren.